Verbürgerlichung ab dem 16. Jhdt.

Das Lehensrecht sah landschaftsunterschiedlich vor, dass der Adelstitel „Ritter“ und der Titel „von“ nur an ein intaktes Lehnsverhältnis oder an ein vererbbares Lehen gebunden war. „Zeitverträge“ liefen sozusagen aus. Im Fall Dyck und Myllendonk kann es mit den Kesseln wohl auch so gewesen sein. Sicherlich müssen sich die 11 Kinder von Vincenz und Heinrich so ab 1495 andere Erwerbsberufe suchen, meistens in der Landwirtschaft und als Schöffen (scabinus), Bürgermeister, Richter.

Nun setzt langsam der Prozess der Verbürgerlichung ein.

Die letzte Testierung von Vincenz von Kessel zu Glehn (Haus Fürth ?) und Oberschlich 1497 war im Jahre 1504 ((Archiv Gracht b/Liblar)(v.Oedtman S.454). 1517/ 18 , anlässlich der Wiederbesiedlung und Aufbaus von Holzheim tragen sich in die Bruderschaftslisten (= Einwohnerlisten) von Holzheim drei von den 11 Kesseln ein, die in der Stammbaumtabelle stehen:

1. Abel Kessel(s), er soll der der Müller der Erprather Mühle geworden sein.

2. Daem (Adam) Kessel(ss) (damals wandelte sich das adelige „von“ ersatzweise zu (s) oder (ss))

und

3. ein Jan (Johan) von Kessel , aus dem Kirchspiel Gladbach, vermutlich aus dem Korschenbroicher Kesselhof-Clan. Er wird der Kemmerlink (Kämmerling) = Verwalter auf Gut Löveling bei Holzheim, 3 Gutshöfen, die aus einem großen römischen Landgut hervorgegangen sein sollen.

Es ist wahrscheinlich, dass diese drei Kessel identisch sind mit den Kindern und dem Neffen von Vincenz und Heinrich von Kessel.

Ein Blick hinüber in dieser Zeit auf die Ritter von Kessel in der Stammburg Kessel an der Maas: Willem van Kessel verstirbt 1542 ohne Kinder. Sein Cousin Willem van Merwijck kommt in den Besitz , und die Merwijcks führen das Haus weiter bis nach 1740. Dann folgen über einen Neffen die van Keverberg bis 1910. Könnte das mit ein Grund gewesen sein, dass sich das „von“ hier im Rheinland langsam verliert ?

Zurück nach Holzheim bei Neuss:

Holzheim wird in der Folgezeit noch weitere dreimal zerstört :

1. 1577-89 , im Truchsessischen Krieg, auch „Kölner Krieg“ genannt.

Hierzu rankt sich eine Geschichte, die auch in Schloß Hülchrath spielte:

ausgelöst wurde dieser Truchsessische Krieg durch das folgenreiche Liebesverhältnis von Gebhard Truchsess v. Waldburg, der Kölner Erzbischof und Kurfürst war, und der schönen, protestantischen Agnes von Mansfeld. Dunkle Haare, tiefbraune Augen! Agnes, eine Stiftsdame im evangelischen Stift zu Gerresheim, lernte anlässlich eines Familienbesuches bei einem ihrer Brüder am Hofe des Kurfürsten diesen Gebhard kennen. Beide verschossen sich sofort total ineinander. Sie blieb gleich da, und reiste nicht mehr mit Ihrer Familie zurück. Ihre Brüder versuchten, eine Zeit lang das Verhältnis zu unterbinden, aber dies gelang auf Dauer nicht.

Zwecks Heirat trat der Erzbischof und Kurfürst wegen ihr zum Calvinismus über, wollte aber Erzbischof bleiben. Damals eine Ungeheuerlichkeit, außerdem hätte es hierdurch bei der nächsten Kaiserwahl ein protestantisches Übergewicht gegeben. Beide hielten sich eine zeitlang hier auf Schloss Hülchrath bei Neuss versteckt. Schloss Hülchrath wurde belagert und beschossen. Vor der drohenden Eroberung 1583 gelang den beiden die Flucht . In einer Odyssee mussten sie durch halb Deutschland über Godesberg, Moers, Basel und dann nach Straßburg flüchten. Eine Art Rheinisches „Romeo und Julia“ mit natürlichem Lebensende in Armut.“

2. Eine weitere Zerstörung Holzheims erfolgte im 30-jährigen Krieg (1618-48)

und dann

3. in den Hessen-Kriegen von ca. 1642-51

Alle Kirchenbücher und Teile der Schützenbruder-Bücher von Holzheim sind verbrannt und ganze Familien wurden ausgelöscht.

Aber noch heute gibt es Kessel-Familien in Holzheim und im benachbarten Grefrath, das von Holzheim aus besiedelt wurde.

Es gab noch zwei „Kesselhöfe“ in Korschenbroich und Hemmerden, jeweils neben der Kirche, vermutlich in Hemmerden für die Lehensdienste mit Dyck, und in Korschenbroich für die Lehensdienste mit Myllendonk.

Alleine von 1608 bis 1810 existieren in Korschenbroich 194 Kirchenbucheintragungen auf den Namen „Kessel“, für Taufen -, Heirat und Sterbefälle.

Auch im Stadtarchiv von Neuss gibt es eine Liste, auf der von 1515 bis 1692 an die 17 Personen (von) Kessel als Neusser Bürger eingetragen sind, darunter sieben mit dem Titel „Junker“, das heißt „Jungherr“, das ist ein Adeliger, der noch ohne Titel und Amt ist.

Auffällig ist , dass ab 1500 bis ins 19. Jahrhundert an den gleichen Orten immer wieder die gleichen Vornamen, wie Johann und Vincenz auftauchen, sogenannte „Leitnamen“, und das mit dem gleichen Beruf „Scabinus“, das ist ein Schöffe – Rechtsanwalt oder Richter in einer Person, oder auch als Bürgermeister.

Es gibt Eintragungen im Hohen Gericht zu Schloss Hülchrath, als auch in den umliegenden Dörfern, wie Liedberg, Schlich, Glehn, Holzheim und Grefrath.

Eintragungen aus dieser Zeit sind:

So z.B.: 1480 : Vincenz v. Kessel siegelt im Kloster Eppinghoven einen Mannbrief als Lehnsmann gegenüber dem Grafen Reifferscheid/Dyck.

30.11.1491 : Vincenz von Kessel bezeugt mit Siegel dem Herren zu Millendonk als Lehnsmann (im Kloster Eppinghoven)

1492: Vincenz von Kessel ist bezeugt als Schultheiß in Schlich (Ernst van Oedtman)

25.2.1557 : die Eheleute Kessel verkaufen einen Acker vor dem Gericht in Hülchrath , eingetragen im Kloster Eppinghoven.

14.9.1643: Johann v. Kessel ist bezeugt als Schöffe des Gerichtes von Hülchrath einen Vertrag im Kloster Eppinghoven.

weiter :

Eintragungen aus Jakob Bremer, Liedberg, Millendonk, Dyck :

1667-1728 Adolf Kessel, ist Schöffe in Glehn

in 1696 Theodor Kessel, Akademiker (weltl.), Holzheim

Im Jahre 1698 taucht der Begriff der „Kesselschen Erbteilung“ auf.

in 1716 Adolf Kessel, aus Steinhausen ist Scheffe in Liedberg

1760 Vincenz Kessel ist Scheffe von Holzheim

1813 Wilhelm Kessel, Lüttgenglehn, ist Brudermeister der Sebastianusbruderschaft

weitere Einträge von Kessel / Kessels/Kesselss mit Endungen auf s oder ss sind bei Jakob Bremer: in den Büchern „Liedberg/Myllendonk/Dyck“ zu finden.

Nach dem 30-jährigen Krieg wurde auf dem Tridentinischen Konzil 1563 beschlossen, dass Kirchenbücher geführt werden müssen. Das wurde jedoch nur schleppend umgesetzt. Erst eine Generation nach dem 30-jährigen Krieg beginnen wieder die Eintragungen in den Kirchenbüchern in Holzheim:

Taufen ab 1707, Heiraten ab 1675 und Sterbefälle ab 1669.

Ab 1653 bis 1707 war das Kloster Eppinghoven für die Taufeintragungen zuständig.

Ab 1804, dem Code Napoleon, stellen die Bürgermeistereien Personenstandsanzeigen und Urkunden aus.

Diese Eintragungen in Kirchenbüchern und in Rathäusern sind im Personenstandsregister in Schloss Brühl zu finden.

Ab 1677 existieren 19 Kirchenbucheintragungen in Holzheim zu den Kesseln, die sich teilweise auch auf Grefrath beziehen, das übrigens mal von Holzheim aus besiedelt wurde. Dort gibt es noch heute Verwandtschaft.

Einige Urkunden stammen aus Napoleonischer Zeit.

Danach sind die Bürgermeistereien zuständig.

Nachfolgend exemplarisch zwei Holzheimer Kirchenbucheintragungen meiner Vorfahren in Latein, die älteste von 1677, und die schönste von 1708, weil diese mit Federkiel geschrieben sind:

Heiratseintragung ( oo ) vom 19.9.1677 in Holzheim von Vincenz Kessel, Schöffe, mit Katharina Schmitz und Heiratseintragung ( oo) vom 27.8.1708 Friedericus Kessel (Vincenz Sohn) in Holzheim mit Maria Norbisrath.

Weitere Holzheimer Kirchenbuch- und spätere Amtliche Eintragungen sind:

oo 8.11.1716 Heirat Holzheim Petrus Kessel , (Bruder von Fredericus und Sohn von Vincenz Kessel)

* 1722 Geburt „ Jacob Joannes Kessel

* 1766 Geburt „ Gottfried Severin Kessel

* 1801 Geburt „ Vincenz Johann Kessel

* 18.10.1839 Geburt Grefrath Paul Kessel (mein Urgroßvater)

+ 15.5.1902 Neuss, Postbeamter in Neuss, erhielt Weihnachten 1900 eine silbernen Dienstjubiläums-Taschenuhr von Kaiser Wilhelm II. Mit Widmung und Conterfei seiner Majestät.

* 5.3.1873 Geburt (Altenessen) Paul Kessel, Großvater, Uhrmacher und Juwelier in Neuss und Düsseldorf

+ 15.7.1951 Düsseldorf

* 24.4.1910 Geburt Neuss Johannes (Hans) Kessel

+ 27.9.1983 Neuss

* 27.8.1943 Geburt Bad Brückenau Winfried Kessel

Ehefrau Doris Kessel, geb.Eich * 1946

Töchter: Tina Kessel, * 1979

Annika Kessel, * 1983

* 1949 Geburt Ruth Kessel-Böhm, + 2015

Ehemann Ekkehard Böhm, + 2000

Tochter Hanna,* 1988

Neusser Verwandtschaft Anfang bis Mitte des 20. Jhdt.´s in Neuss:

Zur Zeit des Großvaters Paul Kessel, Uhrmacher und Goldschmied in Neuss, Niederstraße 40, gab es eine Cousine meiner Tante, Namens Becker, die angeheiratete Ehefrau des Besitzers der Drusus Apotheke und es gab drei verwandte Metzgereien namens Kessel in Neuss, eine davon gegenüber dem Juwelierladen auf der Niederstraße, neben der AdlerApotheke.

Die Metzgersfrau war eine Cousine meiner Tante, eine Maria Högen, geb.Kessel, ein couragiertes Neusser Original mit dem Spitznamen: „Dat Woosch“ oder „Et Woosch“ („Wurst“,wegen der Metzgerei).

Sie war die erste Frau in Neuss mit Führerschein und Auto, in den 20er – 30-er Jahren). Es soll noch einen Zeitungsbericht in der damaligen Neusser Presse mit Bild, vor ihrem Auto (Opel ?) stehend, geben.

Vor 1979 sagte mir Peter Kessel, der Alt-Bürgermeister von Aldenhoven bei Schloß Dyck , es gäbe noch 11 Kesselfamilien im Dorf, die immer viel für das Fürstenhaus Salm-Reifferscheid-Dyck gearbeitet hätten.

Und heute gibt es in den Telefonbüchern von Mönchengladbach – Krefeld und dem Rhein-Kreis-Neuss noch circa 80 Eintragungen für „Kessel“.

Anmerkung:

Ich möchte hier bei eigenem, weiterergehendem Interesse einen Hinweis geben: Wer in seinen Familienbüchern, Stammbäumen über die Standesämter bis ca. 1815 zurückkommt, und den Wohnort in dieser Zeit kennt, könnte in den betreffenden Kirchenbüchern der Gemeinden, und in der Regel, vor 1815 im Personenstandsregister in Brühl fündig werden, vor 1815 manchmal auch die Erzbischöflichen Archive.

Vor den Napoleonischen und Preußischen Reformen 1806 durfte nur der Adel einen Wohnungswechsel vornehmen, die Bauern, weil schollengebunden, meist nur mit Einwilligung des Grundherren. Die Menschen mußten bis zu diesem Zeitpunkt in der Regel sesshaft bleiben.

Burg Kessel an der Maas