Die Zeit der Ottonen

Die Lösung kam dann durch die Ottonen, so ab 919 bis ca. 1007 n. Chr. Insgesamt brauchte es rund 120 Jahre gegen die Normannenplage. Der Erfolg im Süden war, dass mit der Schlacht auf dem Lechfeld 955 (Otto I.) gegen die Ungarn dort die Bedrohung endete.

Und im Norden: Otto I. heiratete Editha von England, die Tochter des Angelsächsischen Königs Edward von Wessex.

Sächsisch war damals noch die gemeinsame Muttersprache zwischen Editha und Otto. Das verband, und förderte die Beziehungen der beiden Sachsenvölker. König Edward war in der Lage gewesen, den Normannen auch von See her Einhalt zu gebieten, und so hoffte man, letztere mit der Zeit besser in die Zange nehmen zu können.


Ein System von Motten wird die Flüsse hoch als Flucht-und Meldetürme gebaut. Zunächst in Holz, später in Stein. Im 11./12. Jahrhundert erhält die Burg eine massive 2m dicke Ringmauer aus Maastrichter Mergelstein und wird in den folgenden Jahrhunderten weiter zu Wohnzwecken ausgebaut. Hierzu die Entwicklung der Burg Kessel.

In dieser politischen Situation stoßen wir auf Graf Ansfried, vermutlich Ansfried II. von Teisterbant (* um 935 in Brabant, † 1010), der auch als Graf von Leuven (Löwen) und von Huy gleichzeitig über einige Gebiete im heutigen Belgien geherrscht haben soll, und im Jahr 995 zum Bischof von Utrecht ernannt wurde. Er wird auch Graf von Holland genannt.

Urkunde

Älteste Urkunde

Die Abbildung zeigt die älteste Urkunde der Niederlande vom 7. Okt. 950, aufbewahrt im Rijksarchief von Maastricht , mit den Initialen von Otto I. , bestehend aus zwei ins Christliche Kreuz gesetzten T´s und O´s.

Signatur der Ottonen

Initialen von Otto I.

Diese Urkunde ist der eigentliche Entstehungsgrund der Burg Kessel, die die älteste Burg der Niederlande sein soll !

Otto I. verleiht darin seinem Neffen, dem Grafen Ansfried, die Grafschaft Kessel an der Maas mit allen Privilegien, wie Zoll / Münz und Marktrecht, also Stadtrechten. Diese Verleihung ist die Grundlage für ein umfangreiches Wiederbesiedlungsprogramm in diesen menschenleer gewordenen Raum der Maas. Sachsen von der Mittelweser werden hierher umgesiedelt in neuen Dörfern mit den alten Heimatnamen, wie zum Beispiel Afferden, Arcen, Hasselt, Venray, und dreimal Leuth.

't-Landt-Van-Kessel(1664)
Diese Karte stellt das Land Kessel dar, so, wie es in etwa Graf Ansfried verliehen worden ist. Es ist begrenzt von der Maas und dem riesigen Peel , lateinisch Palus = Sumpf.

AnsfriedHier das Denkmal von Ansfried in Thorn an der Maas (10 km südlich von Roermond) südlich der Abteikirche neben den gotischen Fassadenresten des früheren Äbtissinnenpalastes. Warum gerade in Thorn, dazu noch später. Es stellt Graf Ansfried dar, der auch als der „Ur-Vater“ der Grafen von Kessel bezeichnet wird.

In den sächsischen Reichsregesten (den amtl. Hof-Akten) wird er Graf von Holland genannt , und besitzt zum Ende seiner politischen Laufbahn 19 Grafschaften, in Südbrabant Huy (: Hoei) und Löwen, die Provinzen Toxandrie, Teisterband und Utrecht, weiter das Land zwischen Maas und Schelde zwischen den Flüssen Lek, Waal und Rhein , das sind heute die Provinzen Nordbrabant, Betuwe, und Gelderland, das heißt praktisch fast halb Holland. Deshalb findet man über Ansfried viele Informationen in holländischen Quellen.

Er ist der Neffe von Königin Mathilde, der Mutter von Otto I. , aus dem sächsichem Geschlecht des Widukind.

Er erhält zwei hochkarätige Ausbildungen :

1. in den Grundkenntnissen, wie Lesen und Schreiben, sowie in Latein und Literatur, in Trier, bei seinem Onkel Erzbischof Rodbert, dem Bruder von Königin Adelheid, der zweiten Ehefrau Otto I. und

2. bei Erzbischof Bruno von Köln, dem Bruder von Otto I. , in höfischer Bildung, in Diplomatie und Waffentraining. Bruno ist der zweitwichtigste Mann im Staat.

Ansfried fiel durch seine vielseitige Begabung und sein Talent auf.

Otto I. nahm ihn mit auf seine Heerzüge, und als „Bodyguard“ mußte er sein Zelt stets gegenüber von ihm aufschlagen. Er wurde sogar 1. Schwertträger Otto´s , eine sehr hohe Auszeichnung und ein Vertrauensbeweis.

Bei der, dem Papst abgenötigten, Kaiserkrönung Ottos 961 ( Otto war 50 Jahre alt) in Rom musste er sogar aus Sicherheitsgründen und aus Misstrauen gegenüber den mit diesem Papst nicht einverstandenen Römern, während der gesamten Feierlichkeiten das gezückte Schwert über Ottos Haupt halten.

Ansfried war und wurde somit Freund, Begleiter und neben den Bischöfen einer der engsten und loyalsten politischen und militärischen Berater von Otto I. , Otto II. , seiner Frau Theophanu und deren Sohn, Otto III.

Als vertrautester Berater von Theophanu und ihrem minderjährigen Sohn Otto wurde er von dieser so reich mit Besitzungen beschenkt, bis die Bischöfe intervenierten. Sie erreichten damit immerhin, daß von diesen Schenkungen keine Urkunden ausgestellt wurden. Damit waren diese nicht vererbbar. Die Auswirkungen sehen wir noch später nach dem Tod von Theophanu am Ende der politischen Laufbahn von Ansfried.

Ansfried nahm also an den Heerzügen der Ottonen teil und war gefragter Teilnehmer bei den Reichstagen wegen seines weisen und kompetenten Rates, selbst noch, als er im Alter erblindete.

Es heißt : „Sein Wort hatte Gewicht.“ !

Nicht nur holländische Historiker schreiben über ihn: „Ansfried war einer der Großen des Reiches.“

Kaiser Otto I. nun hatte eine Vision:

In erster Ehe heiratete er, wie schon gesagt, die Englisch-Sächsische Prinzessin Editha, und konnte damit die Normannengefahr mit der Zeit eindämmen, in zweiter Ehe heiratete er Adelheid , die Königinwitwe von Burgund und Italien, um sein Reich nach Süden auszudehnen. Und mit seinem Sohn Otto II. wollte er die Anerkennung der Kaiserwürde durch Ostrom erreichen, wenn nicht sogar die Wiedervereinigung von West- u. Ostrom, dem alten Imperium Romanum.

Otto I. schickte deshalb dreimal Delegationen zur Brautwerbung für seinen Sohn nach Byzanz, zuletzt seinen Freund Gero, den Erzbischof von Köln.

Dieser soll wiederum seinen Freund, den Mönch Sandrad zu diesen Verhandlungen mitgenommen haben, nicht nur wegen dessen Griechischkenntnissen, sondern … Sandrad zählte zu den bedeutendsten religiösen Persönlichkeiten der Ottonenzeit, genoss das besondere Vertrauen von Kaiser Otto und seiner Frau Adelheid, deren Beichtvater er sogar war.

Sandrad wurde nach der Gründung von St. Vitus in Mönchengladbach hier 1. Abt, gefördert durch Otto I. und Ansfried.

Sandrads Grab ist das Gründungsgrab von St.Vitus. Der Sarkophagdeckel ist in der Erstverwendung mit rätselhaften Schriftzeichen versehen, und muß 1000 Jahre älter sein als Sandrad´s Begräbnis selbst. … und…. im Sarkophag fand man ein kostbares Messgewand aus echter byzantinischer Seide, unbewöhnlich für einen Mönch. Beides ist sicher ein Hinweis auf die Verhandlungsverdienste Sandrads in Bezug auf die Brautwerbung für Otto II. in Byzanz.

Die Brautverhandlungen erbringen aber nicht die Tochter des Oströmischen Kaisers , sondern „nur“ dessen Nichte.

Theophanu

Theophanu (lebte von 955-991)

Sie hieß Theophanu: eine exotische Schönheit….

Sie ist die Nichte des oströmischen Kaisers, 12 Jahre alt,(Heiratsalter nicht ungewöhnlich), eine großartige Frau. Charmant, begabt, klug , diplomatisch, tatkräftig und sprachbegabt. Sie konnte natürlich Griechisch und Latein, und lernte schnell Sächsisch und Fränkisch. Sie brachte neue kulturelle Einflüsse mit nach Westeuropa, Künstler und Gelehrte, neue, prachtvolle Moden, neue Sitten und Gebräuche. Zum Beispiel geht das Nikolausbrauchtum auf sie zurück.

Ihre kostbare und wunderschöne Heiratsurkunde von 972, mit Goldbuchstaben auf Purpurpapier geschrieben, zählt zum Welt-Dokumenten-Erbe, und wird im Staatsarchiv von Wolfenbüttel gezeigt. Hier wieder (unten) die Initialen Ottos II. in Gold.

Hochzeitsurkunde

Hochzeitsurkunde von Theophanu 972 mit Signatur von Otto II.

Theophanu wurde darin von Ihrem Mann Otto II. sogar als Mitkaiserin bestimmt, eine ungewöhnliche Vereinbarung bereits zu dieser Zeit.

Die Hochzeit war zwar in Rom, aber sicher hat sie danach einen Kulturschock bekommen, als sie von der Weltstadt Byzanz aus in den Harz und in das damalige Magdeburg kam.

Sie hatte in den ersten Jahren einen schweren Stand zwischen ihrer dominanten Schwiegermutter Adelheid und Ihrem Mann, Otto II.

Aus Hofkreisen erhob man Vorwürfe und auch Beleidigungen: sie sei „ diese Griechin“ , hätte lockere Sitten, wäre dekadent, unangenehm und gesprächig, hätte tägliche Bäder, würde mit der Gabel essen, und trüge zu prächtige Kleidung und aufwendigen Schmuck .

Der Theologe Peter Damian und andere Quellen behaupten sogar, sie soll eine sexuelle Beziehung zu ihrem Kaplan und Beichtvater, dem griechischen Mönch Johann Philagathos gehabt haben, der von ihr als Bischof von Piazenza eingesetzt wurde und später für ein Jahr als Johannes XVI. Gegenpapst wurde. Otto III. hat ihn daraufhin, den ehemaligen Liebhaber seiner Mutter, grausam verstümmeln lassen. Mit abgeschnittener Zunge, Nase, Ohren und geblendeten Augen hat man ihn rückwärts auf einem Esel sitzend, festgebunden, unter Hohn und Spott durch Rom getrieben. Das war 9 Jahre nach Theophanus Tod.

Nochmal zurück zu Theophanu:

Sie hatte lange Stress mit dem kaiserlichen Hof auch wegen des Jahre ausbleibenden, aber notwendigen männlichen Tronfolgers.

Das 1. Kind kam erst nach 3 Jahren, „ nur“ 3 Mädchen in Folge und weitere Fehl- und Totgeburten. Sie soll sogar durch wilde Pferderitte absichtlich Fehlgeburten eingeleitet haben, da sie mittlerweile spürte, wenn wieder ein Mädchen unterwegs war.

Erst nach 8 Jahren, sie war da 20 Jahre alt, kam ein Sohn zur Welt, Otto III., geboren 980 n. Chr. Berichte sagen, die Geburt soll in einem Köhlerkotten im Reichswald in der Nähe des Kloster Graefental beim Dorf Kessel an der Niers gewesen sein, auf der Reise zum Valkhof, kurz vor der Kaiserpfalz in Nijmegen.

Valkhof in Nijmegen

Das ist der Valkhof, die Kaiserpfalz in Nijmegen. Er war Theophanus liebster Aufenthaltsort im sicheren Machtbereichs Ansfrieds.

Nun eine gewagte These:

Fest steht : Bei der Geburt von Otto III. gab es einen toten Zwilling, laut den Eintragungen angeblich ein Mädchen, für das in der gleichen Nacht noch eine Totenmesse gelesen wurde. – Wäre diese Messe ein normal üblicher Vorgang gewesen, hätte man dies sicherlich nicht ausdrücklich in die amtlichen Reichsregesten hineingeschrieben. War es wirklich eine Totgeburt ? – Oder wurde sie für tot erklärt ? War es wirklich ein Mädchen ? Wurde das Kind vielleicht in andere Hände gegeben ?

Auch in Nijmegen in der Nikolauskapelle auf dem Valkhof, ist man der Ansicht, daß mit der Zwillingsgeburt von Theophanu etwas nicht gestimmt haben kann.

Es ist bekannt, dass Theophanu all jene Halbbrüder- und Cousin-Kämpfe ihres Mannes um die Macht im Reich, in Aachen sogar einmal unter Lebensgefahr, miterleben musste, und deshalb auf keinen Fall zwei männliche Thronfolger haben wollte.

Nun hatte Theophanu zu ihrem Mann in jenen Jahren eine eher unterkühlte Beziehung. Es gab Dissonanzen wegen dessen Kämpfen in Süditalien gegen die Byzantiner, ihre Landsleute. Womöglich hat man sie von Byzanz aus sogar unter Druck gesetzt.

Um die gleiche Zeit aber, in 980, hatte Graf Ansfried, inzwischen 45 Jahre alt, Ihr engster Vertrauter, plötzlich einen unehelichen Sohn, obwohl alle Welt ihn als frommen und treuen Mann seiner Frau schilderte. Alleine dieses Hervorheben könnte stutzig machen. Nebenfrauen von Adeligen war nichts Ungewöhnliches.

Aber… dann las ich in einem historischen Roman, ….

Otto III. wäre nicht der Sohn von Otto II. gewesen !

Theophanu und Ansfried…, …gemeinsame Kinder ? – ein Geheimnis ? – eine Fälschung ? …. Oder hat Ansfried seiner Herrin Theophanu „nur“ eine „Dienstgefälligkeit“ erfüllt, weil Otto II. möglicherweise nur Mädchen „konnte“, … …eine „politische Notlösung“?

Oder…..: der Roman behauptet, Otto III. sei der Sohn von Cousin Otto I., dem Bayernherzog Heinrich dem Zänker gewesen, für den Theophanu eine „Schwäche“ gehabt hätte. Genauso wie Ihre Schwiegermutter Adelheid eine Neigung zu dessen Vater , dem Bayernherzog Heinrich I., dem Halbbruder ihres Mannes Otto´s I. , hatte. Eine komplizierte Wiederholung über zwei Generationen ?

Meine Fantasie wurde enorm beflügelt ! – War da etwas Wahres dran ?

Ich lasse diese merkwürdigen Vorgänge an dieser Stelle unbeantwortet als Spekulation im Raum stehen.

Dieser uneheliche Sohn von Ansfried, das ist belegt, bekommt den Namen Balderic, was „plötzlicher/eiliger“ Erich bedeutet. Dieser nennt sich später Balderic van Kessel.

Die Grafen von Kessel